An elderly man with a cane walks on a park path, assisted by a woman carrying a grocery bag. Lush greenery surrounds them.
Christoph RosemeierElla Carini

Digitale Entlastung für pflegende Angehörige: Wie eDEM-CONNECT mit gutem UX Design hilft

Christoph Rosemeier Principal UX Designer, Specialist Health

Ella Carini UX Designer

Alina Dier Business Developer • Communication Manager

26.06.2025 • 5 Minuten Lesezeit

In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz [Quelle]. Mit etwa 445.000 Neuerkrankungen pro Jahr steigt diese Zahl stetig an. Ein Großteil dieser Betroffenen wird zuhause von Familienangehörigen gepflegt – eine Aufgabe, die emotional fordernd, zeitintensiv und mit vielen Herausforderungen verbunden ist [Quelle]. 

Genau hier setzt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekt eDEM-CONNECT an: Es will pflegende Angehörige mit einer digitalen Plattform unterstützen. Ergosign war als UX-Partner Teil dieses Projekts – und zeigt, wie menschzentriertes Design in herausfordernden Lebenssituationen konkret helfen kann.

Individuelle Hilfe, digital gedacht

Die Plattform eDEM-CONNECT bietet drei zentrale Funktionen: einen Chatbot für individuelle Fragen, ein praxisorientiertes Wissensportal sowie eine Suchfunktion für regionale Hilfsangebote. Die Idee: pflegende Angehörige sollen niedrigschwellig und bedarfsorientiert Informationen und Hilfe finden können – besonders bei verhaltensbezogenen Problemlagen wie Unruhe oder Aggression.

Während der Chatbot es Angehörigen ermöglichen soll, Antworten auf individuelle Fragen zu erhalten, bietet das Wissensportal praxisnahe Informationen in Form von Artikeln. Über die Suchfunktion finden Angehörige schnell passende Hilfsangebote wie Tagespflege, Betreuungs- oder Selbsthilfegruppen – sowohl für Menschen mit Demenz als auch für sich selbst.

UX als Schlüsselfaktor: Verstehen, gestalten, testen

Ergosign übernahm im Projekt die Verantwortung für UX Design, Research, Prototyping, Visual Design und Testing. Unser Ansatz: nur, wer die Zielgruppe versteht, kann eine wirklich hilfreiche Anwendung gestalten. Daher analysierten wir Interviews mit pflegenden Angehörigen und erstellten darauf basierend validierte Personas – darunter zum Beispiel Britta (siehe Abbildung), die ihren an Demenz erkrankten Vater betreut. Diese Personas ermöglichten uns ein tiefes Verständnis für individuelle Lebensrealitäten und betreuerische Herausforderungen. 

Flowchart with sections: "Tägliche Aufgaben," "Bedürfnisse und Wünsche," "Frustrationspunkte," and "Weitere Anmerkungen," featuring text boxes.

Von der Pflege-Journey zum validierten Prototyp

Mithilfe der Personas entwickelten wir eine Pflege-Journey, um die sich wandelnden Anforderungen im Krankheitsverlauf zu erfassen. Sie bildet typische Belastungspunkte und Informationsbedarfe entlang der verschiedenen Phasen der Demenz ab – von den ersten Symptomen bis zur fortgeschrittenen Pflegebedürftigkeit. Diese strukturierte Sichtweise half uns, gezielte UX-Maßnahmen abzuleiten – etwa eine intuitive Navigation, passende Inhalte für spezifische Phasen oder den schnellen Zugang zu regionalen Hilfsangeboten.

Flowchart illustrating stages of dementia care journey, with text boxes highlighting personas, context, and problems across different care levels.

Das Ergebnis war ein Prototyp, der gezielt auf die Bedürfnisse der älteren Zielgruppe zugeschnitten ist – Inclusive Design war dabei von Anfang an integraler Bestandteil. Da viele Nutzer:innen altersbedingte Einschränkungen wie Sehschwäche haben, legten wir besonderen Wert auf klare Kontraste, gut lesbare Schriften, großzügige Bedienelemente und eine intuitive Navigation. Um die Usability und Nutzererfahrung kontinuierlich zu verbessern, wurde der Prototyp in zwei Iterationen mit der Zielgruppe getestet. Das gesammelte Feedback floss direkt in die Weiterentwicklung ein – so entstand ein Anwendungskonzept, das den Anforderungen im Alltag pflegender Angehöriger und Menschen mit Demenz wirklich gerecht wird.

Emotionalität trifft Ethik: Gestaltung mit Fingerspitzengefühl

Die Pflege eines demenzkranken Menschen ist mit vielen Emotionen verbunden. Diese Emotionalität floss in alle Phasen der Konzeption mit ein. In Workshops von der Evangelischen Hochschule Nürnberg wurden unter anderem folgende ethische Fragestellungen diskutiert: Wie viel darf ein Chatbot leisten? Wo braucht es menschliche Begleitung? Unser Design-Ansatz stellte deshalb die Vertrauensbildung in den Fokus. Eine  warme Farbwelt, klare Sprache und lebensnahe Beispiele sollen den Zugang erleichtern.

Chatbot mit Verantwortung

Besonderes Augenmerk lag auf der Entwicklung des Chatbots. Zwar bietet er niedrigschwellige Hilfe, stößt aber bei emotionalen Themen an Grenzen. Die Usability Tests zeigten: viele Nutzer:innen sind skeptisch und wünschen sich bei heiklen Fragen menschliche Unterstützung. Unsere Erkenntnis: digitale Tools müssen die Bedürfnisse der Zielgruppe nicht nur technisch, sondern auch ethisch ernst nehmen. Eine mögliche Weiterentwicklung ist daher eine gezielte Übergabe an professionelle Beratungsstellen.

A website with a chatbot interface open, displaying a conversation about dementia-related issues. The eDEM-CONNECT logo is visible.

Fazit: UX Design als Brücke zu mehr Lebensqualität

eDEM-CONNECT zeigt, wie UX- und Inclusive Design gezielt eingesetzt werden können, um digitale Lösungen für sensible und komplexe Lebenssituationen zu schaffen. Die Plattform wurde so gestaltet, dass sie pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz intuitiv, barrierearm und emotional unterstützend begleitet. Durch umfassende Recherche, iterative Usability Testings und den bewussten Umgang mit dem Thema Demenz entstand ein Prototyp, der sowohl funktional als auch empathisch überzeugt. Mit klarer Informationsstruktur, gut lesbarer Typografie, hohen Kontrasten und einfacher Navigation steht eDEM-CONNECT exemplarisch dafür, wie menschzentriertes Design im Gesundheitsbereich mehr leisten kann als schöne Oberflächen – nämlich echten Mehrwert im Alltag bieten.

Hinweis: Das Vorhaben wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 16SV8338. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor:innen.